Ansprache von Nikolas Häckel, Tinnumer Biike 2017

Liebe Tinnumer, liebe Sylter, liebe Gäste;

Biike ist und war ein Tag, der nachdenklich macht. Früher sogar ein Tag von Trennungsschmerz und Abschied - die Seefahrer legten ab, zogen in die ungewisse Zukunft, auf Walfang.

Damals war Biike kein Feiertag, sondern Treffpunkt für alle - wo alle ein allerletztes Mal zusammen kamen vor der häufig monate- oder jahrelangen Trennung, die manchmal sogar für immer war.

Ein Tag der Gemeinschaft also - im allerbesten Sinne. Der Gemeinschaft, die Menschen durch Schweres trägt. Die Hoffnung und Halt gibt - die durch Zusammenhalt stärkt.

Tradition verändert sich und das ist gut so. Aber Veränderung kann auch Angst machen oder verunsichern. Das kennen wir alle, wenn wir wegen Neuem unsere liebe Komfortzone verlassen müssen.

Für viele ist Biike heute nur noch das Beiwerk zum Grünkohlessen. Ein riesiger Auflauf am Feuer, ein Event, Folklore belebt die Nebensaison.

Und längst hat die Biike die Wertigkeit des Petritages verdrängt, des eigentlichen Feiertages der Sylter.

Wer weiß noch, was ein "Schnoopgroschen" ist? Das Kleingeld der Verwandten, damit wir uns beim Tanzen Naschis und Limo kaufen konnten?

Wer erinnert sich noch an die Aufregung vorm Tanzen und die neuen Lackschuhe oder das erste Oberhemd, das es zum Petritag gab?

Schade, dass vieles verlorengegangen ist, viele Kleinigkeiten zwar, aber doch emotionale Verbindungen - was bleibt sind schöne Erinnerungen an Traditionen.

Aber auch heute sollten die Biiken Orte des Zusammenkommens sein und des Zusammenhalts, sie wollen und sollen uns an die Tradition der Sylter Friesen erinnern und den Erhalt unserer Heimat anmahnen. Denn nur gemeinsam können wir unseren Kindern und Kindeskindern eine lebens- und liebenswerte Heimat übergeben.

Viele setzen sich inzwischen vehement und lautstark für insulare Theman ein: In den Ortsbeiräten, in Bürgerbeteiligungen, in Einwohnerfragestunden und sozialen Medien.

Das ist - nach Zeiten, in denen das auch schon mal ganz anders war - ein tolles Zeichen, das Mut und Hoffnung macht.

Werden wir dabei jetzt auch noch lernen, andere stets so zu behandeln, wie wir selber behandelt werden wollen?

Lasst uns bitte endlich respekt- und würdevoll miteinander umgehen - selbst, wenn wir mal auf unterschiedlichen Wegen zum Ziel unterwegs sind!

Bleibt kritisch und wachsam, nicht nur am Fuße der Biike.

Lasst euch nicht blenden von jenen, die gern effektheischend Öl ins Feuer gießen, statt sich kronstruktiv einzubringen.

Mit der neuen Währung "Aufmerksamkeit" wird heute viel zu oft manipuliert. Und auch mit "alternativen Fakten" und "subjektiven Wahrheiten" wird gerne Stimmung gemacht.

Dauerhaft bezahlbare Wohnungen für Sylter zu schaffen und zu erhalten, als Basis einer funktionierenden Gemeinschaft und Gesellschaft, das beschäftigt uns alle.

Kein Brandschutz ohne Feuerwehr, keine Feuerwehr ohne Sylter.

Soziale Einrichtungen, die Infrastruktur, Kindergärten, Schulen, Pflege, Vereine: Sylt ohne Sylter würde zur touristischen Kulisse verkommen.

Noch engagieren sich viele, aber es werden täglich weniger - wenn wir nichts für sie tun, wenn wir ihnen kein gesichertes Zuhause mit Perspektive bieten können, keine unbefristeten Arbeitsverträge, weniger Saisonverträge.

Wir streiten um den besten Weg dorthin - und der ist steinig.

Zunächst beschlossen wir die "40/60"-Regelung, abgenickt von Kiel, der Schlüssel zum gesicherten Konzept, über das uns die Landesregierung ein sicheres Kontingent für neue Wohnungen gewährte.

Schließlich wurde "40/60" hier in Tinnum am 2. November 2015 gekippt. Jetzt diskutieren wir über "130/60" - ein anderer Ansatz, ein ähnliches Konzept.

Wir diskutieren uns noch die Köpfe heiß, und die Landesregierung sagt doch längst "Nein" dazu.

Der 130er-Schwellenwert sei zu hoch, wir verlören zu viele Bestandswohnungen, die Regelung sei nicht verhältnismäßig, ignoriere den Bestand - allzu leicht mit spezulativen Hintergedanken auszuhebeln.

Also diskutieren wir weiter und weiter und ringen um eine Lösung, die keinem weh tut. Nicht dem Spekulanten und nicht den Urfriesen, nicht dem Erben und nicht dem Familienvater mit drei Kindern, nicht den Nachbarn, nicht mir, nicht Dir und nicht der Gemeinde, der Inselnatur, dem Makler und dem Verkäufer.

Das kann gar nicht gehen? Richtig.

Wasch mich, aber mach mich nicht nass, denken wir und wissen doch: Eine Sylter Regelung muss her, um überhaupt noch neue Wohnungen vom Land über das Baurecht genehmigt bekommen zu können.

Warum nur ist der Weg zu einer guten neuen Lösung so schwer? Weil jede Regelung in das private Eigentum eingreift, das Erbrecht betrifft, steuerliche Konsequenzen hat. Weil jede Regelung Eigentümer einschränkt.

Leider wieß ich, wovon wir reden - habe selbst den Erbschaftssteuerkampg ausgefochten, mich mit Miterben geeinig, die Erbauszahlungen finanziert, stehe vor der Frage: Dauerwohnraum oder Ferienvermietung. Was ist wirtschaftlicher, trägt die Fianzierung? Das Mietrecht macht es uns nicht leichter, die Steuer macht es uns nicht leichter.

Die Gemeinde hat im letzten Jahr mehr als 150 Dauerwohnungen geschaffen. Auch dieses Jahr werden wieder mehr als 150 neue bezugsfertig. Und weitere Projekte sind in Planung. Das KLM hat insgesamt bis heute 65 Mio € Gemeindevermögen gebunden für Dauerwohnraum.

Aber die Schaffung und Erhaltung von Dauerwohnraum kann nicht allein Aufgabe der Gemeinde sein. Das kann die Gemeinde nicht leisten, nicht bezahlen. Es geht nur gemeinsam. Es geht nur mit den Eingetümern zusammen.

Es geht um unsere Zukunft, unser Sylt.

Lasst uns also bitte weiter streiten. Lasst uns den besten Weg finden, um Dauerwohnraum zu erhalten - auch auf privater Basis.

Und allen muss dabei klar sein, dass Nachteile des Einzelnen ein Riesenfortschriftt für die Gemeinschaft sein können. Wovon dann wiederum jeder Einzelne am Ende profitiert.

Denn es geht um unsere Zukungt. Es geht um unser Sylt. Es geht darum, eine liebens- und lebenswerte Gemeinde zu bleiben und kein reines Urlaubsresort zu werden, das seine einzigartige Natur zur Kulisse des Kommerz degradiert und seine eingentlichen Bewohner langsam ausrangiert.

Unsere Insel ist räümlich begrenzt - uns bleibt nur die nachhaltige Nutzung unserer Ortslagen.

Stemmen wir uns dem wie vor ungebrochenen Investorenansturm entgegen, stärken wir den Charakter der Insel.

Lasst Sylt eine echte "Luxusinsel" werden: Eine Insel, die es sich leisten kann und will, für ihre Bewohner und für ihre Mitarbeiter umfassend zu sorgen, die dann wiederum so gern und engagiert für den Gast sorgen, wie es hier Tradition hat.

Die Feuerwehrm der Dorfverein, der Ortsbeirat - sie setzen sich engagiert für ihren Ort ein. Sie zeigen uns, dass und wie es gehen kann. Wenn jeder auch an alle denkt, nicht nur an sich.

Wir brauchen den Mut, einander zuzuhören; die Bereitschaft, das eigene Interesse nicht absolut zu setzen; das Ringen um Lösungen in einer Demokratie nicht alsSchwäche zu empfinden; die Realität nicht zu leugnem, sondern sie verbessern zu wollen.

Wir haben das klare Ziel vor Augen.

Seien wir mutig.

"Rüm hart, klaar kiming"